Auditgespräche meistern: Was Auditor:innen von Journalist:innen lernen können
Kennen Sie das? Sie sitzen im Audit, arbeiten Ihre Fragenliste ab, bekommen Ja-Nein-Antworten – und am Ende haben Sie zwar alle Häkchen gesetzt, aber kein echtes Verständnis dafür, wie die Prozesse wirklich laufen?
Dann sind Sie nicht allein. Viele Auditor:innen kämpfen mit genau diesem Problem: Audits, die formal korrekt sind, aber keine echten Erkenntnisse bringen.
Die gute Nachricht: Es gibt Techniken, die Ihre Audit-Gespräche grundlegend verändern können. Und die kommen aus einem Bereich, den Sie vielleicht nicht auf dem Radar haben: dem Journalismus.
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Meine persönliche Geschichte: Von der Journalistin zur Auditorin
Ich war fast zehn Jahre beim Radio. Moderation, Redaktion, Live-Interviews. Heute bin ich Auditorin, QM-Beraterin und Trainerin. Und ich sage Ihnen ganz offen: Die Journalistin bekommt man nicht aus mir raus – und das ist gut so.
Denn meine Audits sind besser, weil ich journalistisch denke.
Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Audit in der Ausbildung. Ein Lernaudit. Ich saß da, Fragenliste vor mir, das Gespräch begann – und plötzlich spürte ich: Moment mal. Das kenne ich. Diese Situation. Die Art, Fragen zu stellen. Menschen zum Reden zu bringen. Strukturen zu erkennen.
In dem Moment dachte ich: Hey, ich bin zu Hause.
Und genau deshalb habe ich angefangen, bewusst journalistische Methoden in meine Audits zu integrieren. Mit Erfolg. Und genau davon können auch Sie profitieren – auch ohne journalistische Vorgeschichte.
🎧 Hören Sie die ganze Episode
In meiner aktuellen Podcast-Episode erzähle ich ausführlich, wie Sie mit journalistischen Techniken bessere Audit-Gespräche führen.
Episode-Highlights:
- Wie Sie Audits strategisch vorbereiten (statt nur Checklisten abzuarbeiten)
- Welche Fragetypen wann funktionieren
- Wie Sie das Gesprächsklima aktiv gestalten
- Warum Pausen im Audit Gold wert sind
Was haben Journalist:innen und Auditor:innen gemeinsam?
Mehr, als Sie denken.
Beide wollen verstehen. Beide suchen nach Wahrheit, Zusammenhängen, Mustern. Beide müssen Menschen gewinnen, Vertrauen aufbauen, präzise fragen. Beide brauchen ein Gespür dafür, wann jemand ausweicht.
Der Unterschied? Journalist:innen veröffentlichen. Auditor:innen bewerten.
Aber der gemeinsame Nenner bleibt: Ein gutes Gespräch ist kein Zufall. Es ist Handwerk.
5 journalistische Techniken für bessere Audits
1. Vorbereitung ist mehr als Checkliste
Journalist:innen bereiten sich nicht nur fachlich vor. Sie bilden Hypothesen. Sie denken in Szenarien. Sie überlegen sich: Was könnte passieren? Was, wenn mein Gegenüber ausweicht?
Für Ihr nächstes Audit bedeutet das:
Stellen Sie sich vor der Vorbereitung drei Mini-Recherche-Fragen:
✅ Was könnte hier schwierig sein? (Wo könnten Prozesse auf dem Papier stehen, aber in der Praxis anders laufen?)
✅ Was ist der heikle Punkt? (Gibt es etwas, worüber Leute nicht gerne sprechen?)
✅ Was würde ich wissen wollen, wenn ich neu wäre? (Diese Frage bringt Sie zurück zum echten Verstehen-Wollen)
Das dauert keine Stunde. Aber es verändert Ihre Haltung grundlegend.
2. Die Magie guter Fragen – neugierig, offen, zielgerichtet
Im Journalismus gibt es eine eiserne Regel: Mische Fragetypen.
- Geschlossene Fragen für Fakten: "Führen Sie Mitarbeitergespräche durch?"
- Offene Fragen für Geschichten: "Erzählen Sie mir, wie bei Ihnen Mitarbeitergespräche ablaufen."
- Warum-Fragen für Hintergründe: "Warum haben Sie sich für diesen Ablauf entschieden?"
Der Unterschied in der Praxis:
❌ Geschlossenes Frage-Antwort-Spiel:
- "Führen Sie Mitarbeitergespräche durch?" – "Ja."
- "Dokumentieren Sie die?" – "Ja."
- "Wo?" – "Im System."
✅ Journalistisches Vorgehen:
- "Erzählen Sie mir doch mal, wie bei Ihnen Mitarbeitergespräche ablaufen."
- [Pause. Zuhören. Wirklich zuhören.]
- "Warum haben Sie sich für diesen Ablauf entschieden?"
Plötzlich erfahren Sie: Der Prozess existiert auf dem Papier. In der Praxis macht es aber kaum jemand, weil die Zeit fehlt oder weil die Führungskräfte nicht geschult sind.
Das ist die Information, die Sie brauchen.
3. Gesprächsklima aktiv gestalten – Vertrauen ist Pflicht, nicht Kür
Sie können die besten Fragen der Welt stellen – wenn das Klima nicht stimmt, bekommen Sie keine ehrlichen Antworten.
Menschen öffnen sich nur, wenn sie sich sicher fühlen. Und in einem Audit fühlen sich viele erst mal nicht sicher. Sie fühlen sich geprüft. Bewertet. Kontrolliert.
Drei Werkzeuge aus dem Journalismus:
🔹 Small Talk mit System
Starten Sie nicht sofort mit der ersten Audit-Frage. Fragen Sie: "Wie geht's Ihnen heute?" oder "Vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen – läuft's gerade stressig bei Ihnen?"
Das ist kein Zeitvertreib. Das ist Vertrauensaufbau.
🔹 Positives Feedback im Gespräch
Wenn jemand Ihnen eine gute, offene Antwort gibt, sagen Sie das: "Danke für Ihre Offenheit, das hilft mir sehr weiter."
🔹 Bewusste Körpersprache und Pausen
Nicken. Blickkontakt halten. Nicht sofort unterbrechen, wenn jemand ins Stocken gerät.
Journalisten wissen: Schweigen ist kein Problem. Schweigen ist oft der Raum, in dem die interessantesten Aussagen entstehen.
4. Lieber in die Tiefe als in die Breite
Ich höre oft: "Aber ich habe doch gar keine Zeit! Ich muss durch meine Fragen kommen!"
Verstehe ich. Aber hier greift eine journalistische Weisheit:
Lieber ein Thema gut aufarbeiten, statt bei vielen nur an der Oberfläche zu kratzen.
Wenn Sie drei Fragen stellen und wirklich verstehen, was dahintersteckt, haben Sie mehr gewonnen als wenn Sie zwanzig Fragen durchrattern und nur Standardantworten bekommen.
(Ausnahme: Konformitätsaudits. Aber das ist eine andere Baustelle.)
5. Der Leitfaden ist nicht der Chef – Struktur ja, aber flexibel
Journalist:innen haben Interviewleitfäden. Natürlich. Aber sie halten sich nicht sklavisch daran.
Die besten Geschichten entstehen oft, wenn man sich traut, kurz vom Pfad abzuweichen.
Ein Beispiel aus der Audit-Praxis:
Sie auditieren Schulungen. Ihre Checkliste sagt: "Fragen Sie nach der Dokumentation von Schulungsnachweisen."
Im Gespräch sagt jemand nebenbei: "Naja, theoretisch machen wir das schon. Aber praktisch ist das schwierig, weil unsere Führungskräfte da nicht mitziehen."
Das ist Gold. Das ist der Hinweis auf ein systemisches Problem.
Wenn Sie jetzt sagen: "Okay, danke. Nächste Frage" – dann haben Sie die Chance verpasst.
Stattdessen: Nachhaken. "Was meinen Sie mit: Die Führungskräfte ziehen nicht mit?"
Sie sind kurz vom Leitfaden abgewichen. Aber Sie haben verstanden, wo das eigentliche Problem liegt.
📝 Schnelldurchlauf: 5 Journalisten-Regeln für starke Auditgespräche
- Seien Sie wirklich neugierig. Nicht normpflichtig, sondern wissbegierig.
- Fragen Sie sich: Was will ich wirklich wissen – nicht: Was muss ich fragen?
- Lassen Sie Pausen zu. Gute Antworten brauchen manchmal einen Moment.
- Wenn jemand ausweicht – wechseln Sie die Perspektive, nicht das Thema.
- Nutzen Sie das Gespräch, um zu verstehen – nicht um zu überführen.
💡 Fazit: Ein Audit ist kein Verhör
Audits und Interviews haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denkt. Beide leben von guten Fragen, von Vertrauen, von der Fähigkeit zuzuhören und nachzuhaken.
Sie brauchen keine jahrelange Erfahrung beim Radio. Sie brauchen Haltung. Und Neugier.
Ein Audit ist kein Verhör. Es ist ein Gespräch auf Augenhöhe.
Und wenn Sie mit journalistischer Offenheit in ein Audit gehen, dann bekommen Sie nicht nur Antworten – sondern Einsichten.
❓Häufig gestellte Fragen: Journalistische Techniken in Audits
FAQ – Audit-Gespräche mit journalistischen Methoden verbessern
1. Warum sollte ich als Auditor:in von Journalist:innen lernen?
Journalist:innen und Auditor:innen haben mehr gemeinsam, als man auf den ersten Blick denkt. Beide wollen verstehen, beide suchen nach Wahrheit und Zusammenhängen, beide müssen Menschen zum Reden bringen und Vertrauen aufbauen.
Der entscheidende Unterschied: Journalist:innen haben über Jahrzehnte Techniken entwickelt, um auch in schwierigen Gesprächssituationen echte Informationen zu bekommen. Sie wissen, wie man Menschen öffnet, wie man nachfragt ohne anzugreifen, und wie man die wirklich relevanten Informationen hinter den Standardantworten findet.
Genau diese Techniken können Ihre Audits grundlegend verändern – von der reinen Abhak-Übung hin zu erkenntnisreichen Gesprächen, die Ihnen zeigen, wie Prozesse wirklich funktionieren.
Praxisbeispiel: Statt nur zu fragen "Haben Sie das dokumentiert?" (Antwort: "Ja") können Sie mit journalistischen Fragetechniken herausfinden, warum ein Prozess vielleicht auf dem Papier existiert, in der Praxis aber anders läuft – und das ist die Information, die Sie wirklich brauchen.
2. Ich habe keine journalistische Ausbildung. Kann ich diese Techniken trotzdem lernen?
Absolut! Sie brauchen keine zehn Jahre Radioprofi-Erfahrung, um diese Techniken anzuwenden.
Die Grundprinzipien sind erlernbar und sofort umsetzbar:
- Bessere Vorbereitung: Stellen Sie sich drei Fragen vor jedem Audit (Was könnte schwierig sein? Was ist der heikle Punkt? Was würde ich wissen wollen, wenn ich neu wäre?)
- Fragetechnik: Mischen Sie bewusst geschlossene, offene und Warum-Fragen
- Gesprächsklima: Nutzen Sie Small Talk, positives Feedback und bewusste Körpersprache
Das ist kein Hexenwerk. Es ist Handwerk. Und wie jedes Handwerk können Sie es lernen und trainieren.
Tipp: Fangen Sie klein an. Nehmen Sie sich für Ihr nächstes Audit eine Technik vor – zum Beispiel "mehr offene Fragen stellen" – und probieren Sie es aus. Sie werden sofort merken, wie sich das Gespräch verändert.
3. Wie unterscheidet sich die journalistische Vorbereitung von der klassischen Audit-Vorbereitung?
Die klassische Audit-Vorbereitung konzentriert sich oft auf:
- Normanforderungen lesen
- Dokumente sichten
- Fragenliste erstellen
- Auditplan aufstellen
Das ist wichtig und richtig. Aber es ist noch keine Gesprächsstrategie.
Die journalistische Vorbereitung geht einen Schritt weiter:
- Hypothesen bilden: Was könnte hier wirklich los sein?
- Szenarien durchspielen: Was, wenn mein Gegenüber ausweicht? Was, wenn etwas Unerwartetes auftaucht?
- Alternative Fragen vorbereiten: Für denselben Sachverhalt verschiedene Formulierungen parat haben
- Vorgespräche führen: Nicht nur Dokumente lesen, sondern vorab mit Menschen sprechen
Konkretes Beispiel:
Sie auditieren Kundenbeschwerden.
Klassische Vorbereitung: Sie wissen, es gibt eine Prozessbeschreibung und ein Dokumentationssystem.
Journalistische Vorbereitung: Sie fragen sich zusätzlich:
- "Was könnte hier schwierig sein?" → Vielleicht existiert das System, wird aber nicht genutzt
- "Was ist der heikle Punkt?" → Vielleicht werden Beschwerden erfasst, aber nicht ausgewertet
- "Was würde ich wissen wollen, wenn ich neu wäre?" → Wie fühlt es sich für die Mitarbeitenden an, mit diesem System zu arbeiten?
Für jedes dieser Szenarien bereiten Sie unterschiedliche Fragen vor. So sind Sie flexibel und können auf das reagieren, was Sie wirklich vorfinden.
4. Wann stelle ich offene und wann geschlossene Fragen?
Das ist eine der wichtigsten Techniken aus dem Journalismus: Die bewusste Mischung verschiedener Fragetypen.
Geschlossene Fragen (Antwort: Ja/Nein oder kurze Fakten)
- Wann: Wenn Sie konkrete Fakten brauchen
- Beispiele: "Führen Sie Mitarbeitergespräche durch?" | "Wie viele Beschwerden hatten Sie im letzten Quartal?"
- Nutzen: Schnell, präzise, gut zum Abgleichen von Informationen
Offene Fragen (Antwort: Ausführliche Erzählung)
- Wann: Wenn Sie verstehen wollen, wie etwas wirklich funktioniert
- Beispiele: "Erzählen Sie mir, wie bei Ihnen Mitarbeitergespräche ablaufen." | "Was passiert, wenn eine Kundenbeschwerde bei Ihnen eingeht?"
- Nutzen: Sie bekommen Kontext, Hintergründe, oft auch die Probleme, die auf dem Papier nicht stehen
Warum-Fragen (Antwort: Motive, Hintergründe, Ursachen)
- Wann: Wenn Sie die tieferen Gründe verstehen wollen
- Beispiele: "Warum haben Sie sich für diesen Ablauf entschieden?" | "Was macht es aus Ihrer Sicht schwierig, das umzusetzen?"
- Nutzen: Sie erfahren die echten Beweggründe und können systemische Probleme erkennen
Die goldene Regel: Starten Sie mit offenen Fragen, um das Gespräch zu öffnen. Nutzen Sie geschlossene Fragen, um Fakten zu klären. Setzen Sie Warum-Fragen ein, um in die Tiefe zu gehen.
Häufiger Fehler: Viele Audits laufen nur mit geschlossenen Fragen. Das führt zu Ja-Nein-Antworten ohne echte Erkenntnisse.
5. Wie kann ich das Gesprächsklima in einem Audit positiv beeinflussen?
Das Gesprächsklima entscheidet darüber, ob Menschen Ihnen die Wahrheit sagen oder nur das, was sie denken, dass Sie hören wollen.
Drei konkrete Werkzeuge:
🔹 Small Talk mit System
Viele Auditor:innen denken: "Ich habe keine Zeit für Smalltalk, ich muss durch meine Fragen."
Aber: Die 2-3 Minuten Small Talk am Anfang sind eine Investition, keine Zeitverschwendung.
So geht's:
- "Wie geht es Ihnen heute?"
- "Vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen – läuft's gerade stressig bei Ihnen?"
- "Schönes Büro – arbeiten Sie gerne hier?"
Warum das funktioniert: Menschen entspannen sich. Sie merken: Hier sitzt ein Mensch, nicht nur eine Checkliste.
🔹 Positives Feedback im Gespräch
Geben Sie Rückmeldung, wenn jemand Ihnen eine gute, offene Antwort gibt:
- "Danke für Ihre Offenheit, das hilft mir sehr weiter."
- "Das war ein wichtiger Hinweis."
- "Ich schätze, dass Sie so ehrlich sind."
Warum das funktioniert: Sie signalisieren: Ich schätze, was Sie sagen. Das ermutigt Menschen, weiterzusprechen.
🔹 Bewusste Körpersprache
- Nicken während des Zuhörens
- Blickkontakt halten (aber nicht starren)
- Offene Körperhaltung (nicht verschränkte Arme)
- Sich leicht nach vorne beugen (zeigt Interesse)
Und ganz wichtig: Pausen aushalten. Wenn jemand stockt, nicht sofort nachfragen oder zur nächsten Frage springen. Oft kommen nach einer kurzen Pause die ehrlichsten Aussagen.
6. Was mache ich, wenn jemand ausweicht oder blockiert?
Das ist eine der schwierigsten Situationen im Audit – und genau hier hilft die journalistische Technik des Perspektivwechsels.
❌ Was nicht funktioniert:
- Druck aufbauen: "Aber Sie müssen doch dokumentieren!"
- Vorwürfe machen: "Warum haben Sie das nicht gemacht?"
- Das Thema wechseln (dann erfahren Sie nie die Wahrheit)
✅ Was funktioniert:
Technik 1: Verständnis zeigen
- "Ich merke, das Thema ist nicht einfach. Was macht es aus Ihrer Sicht so komplex?"
- "Ich spüre, dass das ein schwieriger Punkt ist. Können Sie mir helfen zu verstehen, wo die Herausforderung liegt?"
Technik 2: Die Frage umformulieren Statt: "Warum dokumentieren Sie nicht?" Besser: "Was bräuchte es, damit die Dokumentation für Sie praktikabel wird?"
Technik 3: Perspektive wechseln Statt: "Das steht aber so in der Prozessbeschreibung!" Besser: "Ich sehe in der Prozessbeschreibung steht X. Wie läuft es denn in der Praxis?"
Technik 4: Pausen nutzen Stellen Sie die Frage. Dann: Schweigen. Schauen Sie Ihr Gegenüber freundlich an. Warten Sie.
Oft kommt nach einer solchen Pause der entscheidende Satz: "Naja, wenn ich ehrlich bin..." – und dann die echte Information.
Wichtig: Nehmen Sie den Druck raus. Menschen, die sich nicht unter Druck fühlen, erzählen Ihnen die Wahrheit.
7. Wie viel Zeit brauche ich für diese Techniken? Meine Audits sind zeitlich eng getaktet.
Das ist ein berechtigter Einwand – und hier greift eine wichtige journalistische Weisheit:
Lieber in die Tiefe fragen als in die Breite.
Das bedeutet konkret:
Szenario A (klassisch): Sie stellen 20 geschlossene Fragen in 45 Minuten. Sie bekommen 20 Ja-Nein-Antworten. Am Ende haben Sie alle Häkchen gesetzt – aber kein echtes Verständnis.
Szenario B (journalistisch): Sie stellen 5-8 gut vorbereitete offene Fragen in 45 Minuten. Sie haken nach, Sie hören zu, Sie geben Raum für Pausen. Am Ende verstehen Sie wirklich, wie die Prozesse laufen und wo die echten Probleme liegen.
Welches Szenario bringt mehr Erkenntnisse?
Die Zeit, die Sie investieren, um tiefer zu gehen, sparen Sie mehrfach ein:
- Sie müssen nicht nochmal nachfragen, weil Ihnen Informationen fehlen
- Ihre Auditberichte werden präziser
- Sie finden die echten Probleme, nicht nur die Symptome
Ausnahme: Bei Konformitätsaudits, wo es wirklich nur ums Abhaken geht, brauchen Sie diese Techniken nicht. Aber bei allen Audits, wo Sie verstehen wollen, wie etwas funktioniert, ist die Investition Gold wert.
8. Kann ich diese Techniken auch bei schwierigen oder kritischen Audit-Situationen anwenden?
Gerade dann! Schwierige Situationen sind der Moment, wo journalistische Techniken ihren größten Wert zeigen.
Typische schwierige Situationen:
🔸 Situation 1: Jemand ist defensiv oder fühlt sich angegriffen
Journalistische Lösung: Verständnis zeigen statt Druck aufbauen
- "Ich merke, das ist ein heikles Thema. Können Sie mir helfen zu verstehen, wo die Herausforderung liegt?"
- Bewusste Körpersprache: Offen bleiben, Blickkontakt halten, ruhig bleiben
🔸 Situation 2: Widersprüchliche Aussagen
Journalistische Lösung: Kontrollfragen stellen, ohne anzuklagen
- "Sie sagten vorhin X. Jetzt höre ich Y. Können Sie mir helfen, das zusammenzubringen?"
- Nicht: "Das widerspricht sich aber!"
🔸 Situation 3: Jemand redet um den heißen Brei herum
Journalistische Lösung: Höflich, aber bestimmt nachfragen
- "Das ist interessant. Aber können Sie mir nochmal konkret sagen: Was passiert, wenn...?"
- Die gleiche Frage anders formuliert nochmal stellen
🔸 Situation 4: Emotionale Reaktionen
Journalistische Lösung: Pause machen, Empathie zeigen
- "Ich sehe, das Thema bewegt Sie. Möchten Sie kurz durchatmen?"
- "Ich bin nicht hier, um jemanden bloßzustellen. Ich will verstehen, wie wir gemeinsam Lösungen finden können."
Wichtig: In schwierigen Situationen niemals die professionelle Distanz verlieren, aber gleichzeitig Menschlichkeit zeigen. Das ist die journalistische Balance zwischen Hartnäckigkeit und Empathie.
9. Wie gehe ich mit Schweigen und Pausen im Audit-Gespräch um?
Das ist einer der wichtigsten Punkte – und gleichzeitig einer der am meisten unterschätzten.
Die journalistische Wahrheit: Schweigen ist kein Problem. Schweigen ist oft der Raum, in dem die interessantesten Aussagen entstehen.
Warum Pausen so wichtig sind:
Audit-Fragen sind komplex. Sie fragen nicht nach Banalitäten. Sie fragen nach Prozessen, Verantwortlichkeiten, Abläufen. Menschen brauchen Zeit, um:
- Ihre Gedanken zu sortieren
- Das richtige Beispiel zu finden
- Zu überlegen, wie sie etwas formulieren sollen
Was viele Auditor:innen falsch machen:
Sie stellen eine Frage. Die Person fängt an zu antworten, stockt, überlegt. Und was macht die Auditor:in? Sie wird nervös. Sie füllt die Pause. Sie formuliert die Frage neu. Oder springt zur nächsten Frage.
Genau das ist der Fehler.
Was Sie stattdessen tun sollten:
- Frage stellen
- Schauen Sie Ihr Gegenüber freundlich an
- Nicken Sie ermutigend
- Halten Sie das Schweigen aus
- Warten Sie, bis die Person von selbst weiterspricht
Wie lange sollte ich warten?
Faustregel: Bis zu 10 Sekunden. Das fühlt sich ewig an – ist es aber nicht. Zählen Sie innerlich langsam bis 10.
Oft kommt nach 5-7 Sekunden der entscheidende Satz: "Naja, wenn ich ehrlich bin..." oder "Eigentlich läuft das ganz anders..."
Das sind die Momente, in denen Sie echte Erkenntnisse gewinnen.
Der Einwand "Ich habe keine Zeit":
Hier greift wieder die Weisheit: Lieber in die Tiefe als in die Breite.
Wenn Sie drei Fragen stellen und wirklich verstehen, was dahintersteckt (inklusive Pausen), haben Sie mehr gewonnen als wenn Sie zehn Fragen durchrattern.
10. Unterscheidet sich der Ansatz bei internen und externen Audits?
Ja und nein. Die Grundtechniken bleiben gleich, aber die Anwendung unterscheidet sich leicht.
Bei internen Audits:
✅ Sie kennen die Menschen oft schon ✅ Vertrauensaufbau ist meist einfacher ✅ Sie können informeller sein ✅ Längerfristige Beziehungen spielen eine Rolle
Journalistische Techniken hier besonders wertvoll:
- Offene Fragen, um auch von Kolleg:innen ehrliche Einschätzungen zu bekommen
- Gesprächsklima aktiv gestalten, damit Kritik geäußert werden kann
- Flexibilität im Leitfaden, um unerwartete Themen aufzugreifen
Bei externen Audits:
⚠️ Sie sind "die von außen" ⚠️ Vertrauen muss schneller aufgebaut werden ⚠️ Sie haben weniger Zeit ⚠️ Formale Anforderungen sind oft strikter
Journalistische Techniken hier besonders wertvoll:
- Small Talk am Anfang, um schnell Vertrauen aufzubauen
- Positives Feedback, um Offenheit zu fördern
- Bewusste Körpersprache, um Ihre Haltung zu zeigen (Interesse statt Kontrolle)
- Warum-Fragen, um in kurzer Zeit viel zu verstehen
Fazit: Die Techniken funktionieren in beiden Kontexten – Sie passen nur die Intensität und den Ton an.
11. Wie fange ich an? Was ist der erste Schritt?
Der beste Einstieg: Klein anfangen und eine Technik nach der anderen ausprobieren.
Ihr 4-Schritte-Plan:
Schritt 1: Nächstes Audit – Vorbereitung anders denken (5 Minuten Extra-Invest)
Stellen Sie sich vor dem Audit die drei Fragen:
- Was könnte hier schwierig sein?
- Was ist der heikle Punkt?
- Was würde ich wissen wollen, wenn ich neu wäre?
Schritt 2: Im Audit – Fragetechnik bewusst mischen
Nehmen Sie sich eine Ihrer Standardfragen und formulieren Sie sie in drei Varianten:
- Geschlossen: "Führen Sie Mitarbeitergespräche durch?"
- Offen: "Erzählen Sie mir, wie bei Ihnen Mitarbeitergespräche ablaufen."
- Warum: "Warum haben Sie sich für diesen Ablauf entschieden?"
Probieren Sie im Audit alle drei aus. Spüren Sie den Unterschied.
Schritt 3: Gesprächsklima – Small Talk integrieren
Nehmen Sie sich vor, bei Ihrem nächsten Audit die ersten 2-3 Minuten für echten Small Talk zu nutzen. Keine Audit-Frage. Nur: Ankommen. Sich kennenlernen. Atmosphäre schaffen.
Schritt 4: Pausen aushalten – 10 Sekunden Regel
Wenn Sie eine offene Frage gestellt haben und Ihr Gegenüber stockt: Zählen Sie innerlich langsam bis 10, bevor Sie etwas sagen.
Nach 3-4 Audits werden Sie merken: Die Gespräche laufen anders. Offener. Erkenntnisreicher. Oft auch entspannter.
12. Wo kann ich mehr über diese Techniken lernen?
Es gibt verschiedene Wege, Ihre Audit-Gesprächsführung mit journalistischen Techniken zu verbessern:
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In der aktuellen Episode von "QM mit Sinn und Verstand" gehe ich ausführlich auf alle Techniken ein – mit konkreten Beispielen und Praxistipps.
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