Schluss mit Schuldzuweisungen - wie Sie eine zielführende Fehlerkultur etablieren können

❗ Nicht schimpfen – systemisch denken!

Wie Qualitätsentwicklung gelingt, wenn wir aufhören, Schuldige zu suchen.

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Fehler passieren – immer. Und trotzdem reagieren wir oft so, als wären sie vermeidbar – wenn nur „die richtigen“ Menschen am Werk wären.

Aber wer im QM arbeitet, weiß: Nicht der Mensch ist das Problem, sondern das System.

In der neuen Folge von „QM mit Sinn und Verstand“  geht es um typische Situationen. Zum Beispiel: Im Audit gibt es Hinweise auf Fehler. Keine gravierenden Sachen - sondern  kleine Lücken, die sich regelmäßig wiederholen. Die Reaktion darauf? Viel zu oft wird schnell ein eine Person gefunden, die "schuld" ist. 

In diesem Beitrag die Kurzversion mit einer Erklärung, warum dieser Reflex wenig bringt – und wie ein systemischer Blick auf Fehler die Qualität dauerhaft verbessert.

Ganz unten ein kostenloser Reflexionsbogen zum Runterladen. Wie immer kostenlos.

🎧 Und hier erst mal der Podcast zur Folge!

🟠 Wenn der Finger auf Menschen zeigt, bleibt das System unsichtbar

Ein Fehler taucht auf – und sofort sucht jemand nach einem Namen.

„Wer war’s?“ ist die Frage, die viele spontan stellen. Und häufig folgt die Antwort direkt, ohne Pause: „Ach, das war wieder Kollege XY.“

Es ist ein Reflex. Und er sitzt tief.

Denn jemanden verantwortlich zu machen, geht schnell. Es schafft eine klare Linie. Und es fühlt sich erst mal handlungsfähig an. Doch dieses schnelle Schuld-Denken hat einen Preis.

Es blockiert Offenheit.

Es verhindert Lernen.

Und es versteckt Strukturen, die eigentlich die wahren Verursacher sind.

Der Ausdruck „menschliches Versagen“ wirkt dabei fast technisch – aber in Wahrheit ist er oft der Anfang einer Schuldspirale:

  • Zuerst wird deutlich gemacht, wer den Fehler gemacht hat.
  • Dann wird gesagt, warum diese Person versagt hat.
  • Und schließlich wird – offen oder subtil – das Vertrauen entzogen.

Was bleibt, ist Unsicherheit. Fehler werden in Zukunft verschwiegen. Oder geschönt. Und das ist das Gegenteil von Qualität.


🧀 Das System hat Löcher – nicht der Mensch

James Reason, ein Experte für Sicherheitskultur, hat dafür ein gutes Bild gefunden: das sogenannte Swiss-Cheese-Modell.

Stellen Sie sich mehrere Scheiben Emmentaler vor. Jede Scheibe steht für eine Schutzmaßnahme – etwa eine Checkliste, eine Schulung, ein IT-System. Und jede dieser Scheiben hat kleine Löcher: Unklarheiten, Ausnahmen, Lücken.

Solange diese Löcher nicht genau übereinanderliegen, bleibt der Fehler hängen. Aber wenn sich die Lücken durch alle Scheiben ziehen – dann rutscht der Fehler durch. Und genau das passiert in Organisationen häufiger, als man denkt.

Ein Beispiel?

  • Eine Kollegin erhält eine Info zu spät.
  • Die Übergabe erfolgt nur mündlich.
  • Die Anleitung ist veraltet.
  • Die Kontrolle fällt aus, weil Urlaubszeit ist.

Niemand hat grob versagt. Und doch ist das Ergebnis: ein klarer Prozessfehler.

Wer jetzt sagt: „Die Kollegin war unaufmerksam“, verkennt das Wesentliche.

Denn das Problem liegt nicht in der Person – sondern im Prozess.

🧃 Der bequeme Mythos vom „faulen Apfel“

In vielen Unternehmen hält sich hartnäckig eine Denkfigur: Wenn ein Fehler passiert, liegt es am „einen, der es nicht kann“. Dieser sogenannte Bad Apple-Ansatz reduziert komplexe Probleme auf eine einzige Ursache – und auf eine einzige Person.

Die Folge? Der Apfel wird aussortiert. Die Person ausgetauscht. Und alle sind beruhigt.

Bis der nächste Fehler passiert.

Was dann oft auffällt: Der Mitarbeiter ist weg – aber das Problem bleibt. Denn: Menschen handeln nicht im luftleeren Raum. Sie bewegen sich innerhalb von Regeln, Tools, Zuständigkeiten, Kommunikationswegen. Und genau dort liegen die Ursachen vieler Probleme verborgen.

Oder wie James Reason es ausdrückt:

„Man kann die menschliche Natur nicht ändern – aber die Bedingungen, unter denen Menschen arbeiten.“

Und genau dort sollte Qualitätsmanagement ansetzen.

🛠️ Was gutes QM tut: Ursachen finden – nicht urteilen

Gutes QM fragt nicht: „Wer hat’s verbockt?“ Sondern: „Wie konnte das passieren?“

Diese Frage zielt tiefer. Sie will verstehen, nicht verurteilen.

Und sie nimmt Prozesse, Rollen, Schnittstellen in den Blick – nicht nur Namen.

Dabei helfen Werkzeuge wie:

  • die 5-Why-Methode, mit der man durch wiederholtes Nachfragen zur Wurzel eines Problems vordringt
  • das Ishikawa-Diagramm, das Ursachen sichtbar macht – in der Form einer Fischgräte
  • oder die klassische 4M-Betrachtung: Mensch, Methode, Maschine, Milieu – welche dieser Dimensionen war der Auslöser?

Wichtig ist dabei immer: Es geht nicht darum, alles zu kontrollieren. Sondern darum, aus einem Fehler einen Hebel zur Verbesserung zu machen.

Und genau das ist der Kern moderner QM-Arbeit.


💡 Von der Fehlervermeidung zur Fehlersicherheit: Poka Yoke

Ein besonders anschauliches Prinzip dafür ist Poka Yoke – ein japanisches Konzept, das sich mit einem Satz zusammenfassen lässt:

👉 „Mach es dem Menschen leicht, das Richtige zu tun.“

Dabei geht es nicht um Überwachung, sondern um kluge Gestaltung.

Typische Beispiele:

  • Pflichtfelder, die rot leuchten, wenn sie leer bleiben
  • Stecker, die sich nur in einer Richtung einstecken lassen
  • Software, die vor dem Löschen nochmal nachfragt

Diese kleinen Mechanismen verhindern, dass Menschen in Stress, Hektik oder Routine versehentlich Schaden anrichten.

Sie sagen nicht: „Sei fehlerfrei!“ – sondern: „Ich unterstütze dich dabei, keinen Fehler zu machen.“

Ein System, das so denkt, ist kein Kontrollsystem. Es ist ein unterstützendes System.

✍️ MQ-Praxistipp: Eine Übung für den Alltag

Wenn Sie den Eindruck haben, dass bei Ihnen bestimmte Dinge immer wieder nicht funktionieren, machen Sie den Systemcheck.

Stellen Sie sich drei Fragen:

  1. Was genau kritisieren wir an der Handlung einer Person?
  2. An welcher Stelle im Ablauf hätten wir diesen Fehler vermeiden, auffangen oder frühzeitig erkennen können?
  3. Was müsste sich in unserem Setting ändern, damit dieser Fehler unwahrscheinlicher wird?

Notieren Sie die Antworten. Zeichnen Sie den Prozess.

Und fragen Sie sich: Wo hat unser Käse ein Loch – nicht unser Kollege einen Fehler gemacht?


✅ Fazit & persönlicher Impuls

Wenn wir aufhören, reflexhaft nach Schuld zu suchen, beginnt etwas Neues: Verstehen.

Nicht mehr: „Wer hat’s falsch gemacht?“ Sondern: „Was hat dazu geführt, dass es schiefgehen konnte?“

Ich habe in vielen Audits erlebt: Sobald wir den Blick vom Einzelnen auf das Ganze richten, verändert sich etwas. Die Stimmung. Die Energie. Die Qualität der Fragen. Und plötzlich entstehen echte Lösungen – nicht nur kurzfristige Entlastungen.

Meine Haltung: Fehler sind keine Fingerzeige auf Menschen – sondern Wegweiser für bessere Strukturen.

Wenn Sie das nächste Mal ins Grübeln kommen, ob jemand etwas „verbockt“ hat, fragen Sie sich: War es wirklich ein Versagen – oder ein unzureichendes System?

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

1. Warum bringen Schuldzuweisungen im QM nichts?

Weil sie Symptome bekämpfen – aber Ursachen unangetastet lassen.

2. Was ist das Swiss-Cheese-Modell?

Ein Modell, das zeigt: Fehler passieren dann, wenn mehrere Schutzsysteme gleichzeitig versagen.

3. Wie erkenne ich systemische Fehlerquellen?

Indem Sie Prozesse analysieren, Schnittstellen prüfen und mit Methoden wie 5-Why oder Ishikawa Ursachen sichtbar machen.

4. Was bringt Poka Yoke im Alltag?

Es hilft, Fehler so gut wie möglich auszuschließen – durch clevere, alltagstaugliche Prozessgestaltung.

5. Wie kann ich den Blick vom Menschen aufs System lenken?

Durch gezielte Fragen: Was genau ist passiert? Welche Schutzmechanismen haben versagt? Wo hätte der Prozess besser unterstützen können?

Arbeitshilfe herunterladen!

Bevor Sie dem Impuls folgen, mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen, erst mal tief Atmen und bis drei zählen. Und die Reflexionsfragen auf dem Arbeitsblatt beantworten. Jetzt downloaden und vorbereitet sein. 


Schluss mit Schuldzuweisungen - wie Sie eine zielführende Fehlerkultur etablieren können
MQ Gesellschaft für MehrQualität mbH, Ursula Wienken 1. Juli 2025
Demokratische Werte im QM
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